Qualität aus Polen
Viele internationale Anbieter lassen in Polen produzieren, und auch rein polnische Produkte genießen unterdessen einen guten Ruf. SKIPPER besuchte kleine Werften, die sich nicht verstecken müssen.
Die Reise soll nach Gizycko gehen. Ziel ist der Besuch diverser Werften und einer regionalen Bootsausstellung. Wohin? Und lohnt das den mehrtägigen Aufwand? Im Nachgang lauten die Antworten: Ja, hat sich unter allen Umständen gelohnt! Und: Gizycko ist das ehemalige Lötzen, an der masurischen Seenplatte gelegen, recht nahe an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, ehemals Königsberg. Doch die alten Namen sind Geschichte. Heute erinnert nur noch wenig an das Leid des Krieges, das beide Seiten in unterschiedlicher Form erleben und verarbeiten mussten. Der Flug von Frankfurt nach Warschau dauert wenig länger als eine Stunde, die darauffolgende Busfahrt zum eigentlichen Ziel gestaltet sich erheblich länger und abenteuerlicher. Bei der Ankunft im Hotel ist es dunkle Nacht. Erst am Morgen, mit einer Tasse Kaffee in der Hand, werden erste optische Eindrücke der neuen Umgebung wahrgenommen: schön! Wirklich schön! Die Terrasse des Hotels grenzt an einen Kanal, der von einer niedrigen Brücke überspannt wird. Sechs Mal am Tag wird die geöffnet und dann ziehen Segel- und Motorboote wie auf einer Schnur gereiht vorbei. Sehr vertraute Modelle sind darunter, Quicksilver, beispielsweise, die ja ebenfalls in Polen produziert werden. Doch der überwiegende Teil der Konstruktionen sticht aus den bekannten Modellen heraus. Die Beschriftungen am Rumpf weisen sie als Charterboote aus, gleichermaßen unter Segel als auch mit Motorkraft.
Nach dem Frühstück macht sich die kleine Reisegruppe mit dem Bus auf den Weg nach Wegorzewo. Hier produziert die Werft Northman pro Jahr rund 170 Segel- und Motorboote bis 9,70 Metern Länge. Zwei Baureihen werden auf Kiel gelegt, Nexus und Courier. Kann erstere ihre Verwandschaft zu den Segelbooten aufgrund des keilförmig ansteigenden Vorschiffs nicht ganz verleugnen, zeigt sich die Courier 970 mit ihrem runden Kanuheck recht schiffig. Die Fertigungstiefe ist bei Northman sehr ausgeprägt. Vom Formenbau über das Laminieren, die Anfertigung der Mö-bel aus Massivholz bis hin zur Anfertigung der Kabelbäume für die Bord-elektrik wird alles unter dem Dach der Werft hergestellt. Zwar werden in der Schreinerei modernste Maschinen wie CNC-Fräsen eingesetzt, dennoch kann bei den Booten von reiner Handarbeit gesprochen werden. Die Exzellenz der polnischen Bootsbauer zeigt sich in gleichmäßig schmalen Silikonfugen beim Zusammensetzen der Rumpfschale mit der Superstruktur und in einem sauberen Finish des Interieurs. Für den Chartereinsatz werden neben den beiden Doppelkojen im Vorschiff und der achtern gelegenen Unterflurkabine bis zu sechs Bedarfskojen in der großen Dinette ausgewiesen. Northman unterhält ein eigenes Charterunternehmen auf der Masurischen Seenplatte. Die Yachten werden meist eine Saison in der Charter genutzt und dann als gute Gebrauchtboote an Privat verkauft. Das Geschäftsmodell hat sich bewährt, wovon wir uns nach dem Werftbesuch überzeugen lassen konnten. Im idyllisch gelegenen Yachthafen von Wegorzewo liegen neben einigen Segelbooten auch sechs Motorboote zu Probefahrten bereit. Hier ist der Weg das Ziel, denn die Probefahrt ist gleichzeitig die Überführung der Flotte nach Gizycko, wo über das kommende Wochenende eine schwimmende Bootsaustellung abgehalten wird. Sowohl die Nexus 850 mit ihrem 44 kW (60 PS) starken Außenborder als auch die Courier 970 mit einem 37 kW (50 PS) Nanni-Diesel auf Kubota-Basis lassen sich gut manövrieren, was in den Engstellen zwischen den einzelnen Seen auch durchaus angebracht ist. Es ist ein schöner Spätsommertag mit angenehmen Temperaturen und entsprechend dichtem Bootsaufkommen. Die Seenplatte ist nicht nur für Polen ein attraktives Revier, auch in Westeuropa sprechen sich die landschaftlichen Schönheiten, die gute Wasserqualität sowie die hochentwickelte nautische Infrastruktur in Wassersportkreisen herum. Neben polnischen Charterbetrieben bieten auch Le Boat und Kuhnle Yachten in Masuren an.
Den ganzen Artikel lesen Sie in SKIPPER 10/2014
Text & Fotos: Klaus Schneiders